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Der andere Blick – Familiengeschichten zwischen Rumänien und Deutschland

Wie ergeht es Kindern, die mit ihren Eltern von einem Land, einer Kultur, einer Sprache in die andere wechseln? Sie leben nun in zwei Sprachen, in zwei Kulturen, mit zwei Identitäten. Die Begriffe Heimat und Fremde verschwimmen und es bleibt die Frage: Wie hätte das Leben ausgesehen, das man zurückgelassen hat?

Auf dem deutschsprachigen Buchmarkt sind in den letzten Jahren eine Reihe von Büchern erschienen, die sich mit Biografien zwischen Rumänien und Deutschland befassen. Die jungen Autor*innen finden starke Bilder und Formulierungen für ihre persönlichen Erfahrungen. Der Riss in der Familiengeschichte wird geheilt durch das Erforschen der eigenen Wurzeln im Erzählen. Diese erfolgreichen Autor*innen, die mit Interesse und Emotionalität von Deutschland nach Rumänien blicken, fördern in Deutschland auch das Interesse und das Verständnis für Rumänien. DLITE stellt hier drei Titel vor:

„…als mein Leben in den Westen kippte“

„Die Chamäleondamen“ von Yvonne Hergane

Edith, Marita, Ellie und Hanne – vier Frauen, vier Generationen, vier Lebenswege.

Vom Banater Gebirge bis zur Nordseeküste – über mehr als 120 Jahre spannt sich der Bogen von der ersten bis zur letzten Mutterfigur. Feinsinnig poetisch und mitunter bitterkomisch erzählt Yvonne Hergane in schlaglichtartigen Anekdoten eine vierfache Lebensreise vor historisch, geographisch und politisch wechselndem Hintergrund. – In ihrem ersten Roman aus dem Jahr 2020 beeindruckt Yvonne Hergane durch eine mitreißende und erfindungsreiche Sprache; so kann man den Dialekt der Banatdeutschen in manchen Szenen geradezu hören.

 

„Interessant ist ja auch, dass ich eine Generation bin, die ausgewandert wurde.“

„Die Unschärfe der Welt“ von Iris Wolff

Iris Wolff erzählt die bewegte Geschichte einer Familie aus dem Banat, deren Bande so eng geknüpft sind, dass sie selbst über Grenzen hinweg nicht zerreißen. Ein Roman über Menschen aus vier Generationen, der auf berückend poetische Weise Verlust und Neuanfang miteinander in Beziehung setzt. –  Die Geschichte der Rumäniendeutschen bildet die Inspiration für alle Texte von Iris Wolff; mit diesem Roman von 2020 hat sie ihr Publikum besonders tief beeindruckt.

 

„Bin ich ein rumänischer Deutscher mit ungarischen Wurzeln? Ein rumäniendeutscher Ungar, ein ungarisch-rumänischer Deutscher, ungarisch-deutscher Rumäne?“

„Wir gingen weil alle gingen“ von Thomas Perle

Rumänien 1989. ein ganzes Land blickt gebannt in die Röhrenfernseher der sozialistischen Republik. zwei Leichen werden wie Puppen in die Kamera gehalten. Der Diktator und seine Frau sind tot. Bilder, die sich ins europäische Gedächtnis gebrannt, Familienleben und Biografien zerrissen haben. Thomas Perles minimalistische Prosa blickt in viele Schicksale. In poetisch verknappter, dichter Sprache erzählt der Autor von Anpassung und Brüchen, von Widerstand, Sehnsucht und Aufbruch. – Thomas Perle ist Schriftsteller und Dramatiker; sein Stück „karpatenflecken“ wurde 2020 am Burgtheater in Wien uraufgeführt.

 

Zum Weiterlesen:

Literaturliste mit vielen weiteren Texten, z.B. von Dana Grigorcea, Nadine Schneider…: https://bukarest.bibliothek.goethe.de/cgi-bin/koha/opac-shelves.pl?op=view&shelfnumber=43&sortfield=copyrightdate&direction=desc

Mehr über Yvonne Hergane:

https://blog.goethe.de/dlite/archives/663-Mit-Lauten-und-Worten-zu-spielen,-ist-meine-Art,-Musik-zu-machen.html

Mehr über Iris Wolff:

https://blog.goethe.de/dlite/archives/990-Iris-Wolff-Ein-dritter-Raum.html

https://blog.goethe.de/dlite/archives/942-Iris-Wolff-Ich-sehe-die-Dinge-bildlich-vor-mir,-wenn-ich-schreibe.html

Weitere Beiträge:

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