Katharina Eismann traf ich neulich auf den “Deutschen Literaturtagen”, die jährlich in Reschitza stattfinden. Sie kehrte zum ersten Mal aus Deutschland in die ehemalige Stadt des Eisens und Stahls zurück, um die Poesie der Deutschen kennenzulernen, die noch da leben oder ihr „Heimatland” Rumänien längst verlassen haben. Ihre Jugendhaftigkeit fiel mir vom ersten Moment an ins Auge, und eine gewisse Exzentrik, eine ausgeprägte Andersartigkeit, die von ihrer Erscheinung ausgeht. Meine Verwunderung stieg noch mehr an, als ich ihre Gedichte las. Es überraschte mich nicht, dass ihre Texte immer noch den “Duft” des Rozelor-Parks in sich tragen, oder anderer Orte aus Temeswar, die diese in der Stadt an der Bega gebürtige Dichterin in ihrem emotionalen Gedächtnis mit sich herumschleppt. Das kommt oft in den literarischen Werken derer vor, die ihr Herkunftsland mit Erinnerungen im Gepäck verlassen haben. Gleich nach dem Auspacken, verlassen diese Erinnerungen sie nicht mehr.
Diese Charakterisierung, die in ihrem Ansatz etwas nostalgisch anmuten mag, wird schnell einen gewissen romantischen Hauch abschütteln müssen, da dieser neue Auftritt in unserem Reschitza Kreis eher schockierend ist, zumindest in der Art und Weise, wie sie denkt und ihre Poesie aufs Papier bringt.
Ich fühle mich unwiderstehlich zu dieser Art von „écriture automatique” hingezogen, das mich selbst einst in seine sardanapalischen Kreise zog und auch heute noch verlockt. Mich, die im Zeichen des Surrealismus in die Poesie eingetreten ist, ohne zu wissen , was freie Assoziation bedeutet, bei der die formale Logik in die Ecke gestellt wird und nur ein Schwall von Worten aufs Blatt gegossen wird, die ihren unkontrollierten Lauf durch Zufall allein nehmen.
Ich liebe diese Art des Schreibens, das von unseren verborgenen, unbekannten und von keiner Instanz bewachten Kräfte spricht und das sich keiner formalen Logik unterwirft, die, wiederum, die Poesie abtötet. Dieses automatische Schreiben ist die Stimme des Instinkts, es ist die Stimme des Gehörs, des Geruchs, des Tastsinns, unzensiert durch die Überlegenheit der Luzidität, die das Wunder eines Traumes tötet.
Katharina Eismann scheint mit gelernter Lektion auf die Welt gekommen zu sein! Ihre Poesie lüftet das Geheimnis eines verschleierten Existenzialismus und befreit das “hemmungslose” Denken von unserer tyrannischen Vernunft. Ihre Freiheit, es mit den Kanons zu brechen und die Poesie frei wie eine Bergquelle fließen zu lassen, erinnerte mich an eine Begebenheit aus Berlin, als ich zu Gast bei Radio Kultur aufgetreten war und meinen Gesprächspartner fragte, ob Eminescu in Deutschland bekannt sei. Dieser gestand mir verlegen, dass es nicht wirklich der Fall sei, worauf ich, sichtlich überrascht, fragte, ob die Deutschen überhaupt glaubten, in Rumänien existiere keine Poesie. Die Antwort meines Gesprächspartners übertraf meine Erwartungen: “Die rumänische Avantgarde sucht noch seinesgleichen! Dada-ismus, Tristan Tzara, Gherasim Luca, und allen voran der Surrealist Gellu Naum, als größter rumänischer Dichter… “. Ich war verblüfft und dennoch glücklicher als je zuvor. Endlich spürte ich den Rausch des Siegers! Denn es war in Deutschland und in der Schweiz, dass ich die besten Rezensionen bekam und als “ letzter europäischer Surrealist” gepriesen wurde, was mich wiederum vergessen ließ, dass mir deswegen 1971 verboten wurde, acht Jahre lang auch nur eine Zeile zu veröffentlichen … Manchmal sind Zwänge fruchtbar, aber ich möchte nicht, dass Katharina Eismann das durchmacht, was ich durchmachen musste.
Jedenfalls kann ich meine begeisterte Lobrede auf die Originalität dieser Poetin nicht beenden, ohne Ihnen einige ihrer herrlichen Kostproben anzubieten:
Aus dem Kaffeesatz ein Satz
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Temeswar, heut stehst du nicht mehr Schlange,
heut husten falsche Fünfziger lungenlosen Scherze
durch deine Alleen,
Zuckerrosen kleben an Fassaden
Feilschende Italiener rochen den Braten
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Temeswar, aus deinen Gräbern pfeifen Chrysanthemen
und deine Gassen rosten vom Plafond bis in die Keller
übergelaufen
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Josefstädter Markt / Josefin / Temeswar
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„Habt ihr einen Schafskäse der tanzt ?“
im Käselabor schwitzen Kacheln
in den Milchfluten
Schneewittchen lacht
mit goldener Zahnpracht
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Das Nest
Im Rosenkleid
kam sie hereingeschneit
übers Bett geflogen
zwischen
Kronleuchter
graumelierten
Tapeten
vergraben
ineinander
ein Atem
aus dem Nest gefallen
ein herzliches Business
lächelt die Concierge
ihre
Hand in seiner
Manteltasche
sie streichelten
sich so fest
Aufgetankt
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deine Augen sind so grün
lodert ihre Stimme
sie schenkt mir ihr Pfauenkleid
wickle es um den Leib,
Bambina es ist geil
und riecht nach Nikotin
und Wermut aus Belgrad