Wenn du Paul Celan vor dir hättest, was würdest du ihn fragen?
Wie sieht die Welt aus von dort, hinter all dem Unglück und dem Unerwünschten, das heute auf uns zukommt? Wie fühlt es sich an, ein Dichter in der Welt der Dichtung selbst zu sein?
Was glaubst du, würde er antworten?
Ich glaube er würde mir in Versen antworten.
Der Sand aus den Urnen
Schimmelgrün ist das Haus des Vergessens.
Vor jedem der wehenden Tore blaut dein enthaupteter Spielmann.
Er schlägt dir die Trommel aus Moos und bitterem Schamhaar;
mit schwärender Zehe malt er im Sand deine Braue.
Länger zeichnet er sie als sie war, und das Rot deiner Lippe.
Du füllst hier die Urnen und speisest dein Herz.
oder…
So bist du denn geworden
wie ich dich nie gekannt:
dein Herz schlägt allerorten
in einem Brunnenland,
wo kein Mund trinkt und keine
Gestalt die Schatten säumt,
wo Wasser quillt zum Scheine
und Schein wie Wasser schäumt.
Du steigst in alle Brunnen,
du schwebst durch jeden Schein.
Du hast ein Spiel ersonnen,
das will vergessen sein.
Wie würderst du die Frage selbst beantworten?
Was ich hier und jetzt Paul Celan fragen würde? Ich weiß nicht, welche die erste Frage wäre… aber ich weiß, dass jedem Wort Stille vorausgeht. Eine außergewöhnliche Stille, die für den Aufbau eines Dialogs so notwendig ist. Und nach dieser Stille voller unausgesprochener Worte würde ich ihn nach dem Meridian und nach Naum fragen, wie es sich anfühlt, im eigenen Gedicht zu leben, was von seinen Glaubensansätzen noch übrig geblieben ist. Ich würde ihn fragen, wie oft ihm schwer ums Herz ist, wie es ist, dein Ende nie zu erfahren, weil du ins Gedächtnis der Leser:innen eingedrungen bist und diese deine Gedanken immer wieder ins Rollen bringen.
Paul Celan, 100 Jahre seit seiner Geburt. Aber diesen 100 Jahren werden noch andere tausend folgen. Dann noch einmal tausend. Und so wird die Ewigkeit machbar. Wir danken dir, lieber Dichter, dass du uns gezeigt hast, dass es möglich ist, Teil einer so heiteren und menschlichen Ewigkeit zu sein!