gang durchs viertel
und sagte man jahre später, an diesem morgen
war etwas auf meinem gang durchs viertel
ich müsste widersprechen, nichts geschah
diesige luft in der kapuze, kühle auf den wangen
und eine hand in der tasche meines parkas
versuchte irgendwie sich selbst zu halten
was nicht gelang, schuhe traten in meinen schatten
ich kam nicht ansatzweise in ihm an, obwohl ich
nicht alleine war, war ich allein auf meinem gang
streckten sich häuser in ein frisches licht
hier und da gestreut wie salz in der feuchte
eines montagvormittags, blieb mein blick
an gar nichts haften, als wiese alles mich von selber ab
gut so, dachte ich, wenn mich nichts will, dann will
auch ich nichts mehr auf meinem gang durchs viertel
ihn nur mit jedem schritt beenden, mir meines herzschlags
sehr gewahr, der luft in meinen bronchien, etwas knapp
des bluts in meinen venen und arterien, eine starke strömung.
Nadja Küchenmeister, Im Glasberg © Schöffling & Co., Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main 2020
Nadja Küchenmeister wurde 1981 in Berlin geboren, wo sie heute als freie Autorin lebt. Sie studierte Germanistik und Soziologie an der Technischen Universität Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie veröffentlichte Gedichte und Prosa in zahlreichen Zeitschriften und Anthologien. Ihr erster Gedichtband Alle Lichter, der 2010 bei Schöffling & Co. erschien, wurde von der Darmstädter Jury zum „Buch des Monats“ gewählt. 2014 erschien ihr zweiter Gedichtband Unter dem Wacholder, 2020 ihr dritter Gedichtband Im Glasberg.